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Die Wegbereiter
Die Amerikanerin Dorothy Harrison Eustis gründet 1928 in der Nähe von Vevey das Institut «Of Fortunate Fields», in dem Führhundeausbilder aus verschiedensten Nationen unterwiesen werden. Schäferhündin Buddy, die wohl berühmteste Führhündin Amerikas, welche durch das Buch des blinden Morris Frank «Buddys Augen sahen für mich» auch in Europa bekannt wird, stammt aus Vevey. Das Ehepaar Harrison Eustis schliesst wegen mangelnden Interesses 1934 die Schule und kehrt in die USA zurück. Dorothy Harrison Eustis ist zusammen mit Morris Frank massgeblich an der Gründung der ersten amerikanischen Führhundeschule «The Seeing Eye» beteiligt (Foto: Archives The Seeing Eye).
Mehr Informationen zu Dorothy Harrison Eustis: National Women's Hall of Fame (nur auf Englisch verfügbar).
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1934 bis frühe 60er Jahre
Nach der Schliessung der Schule von Dorothy Harrison Eustis werden in der Schweiz bis in die 60er-Jahre keine Blindenführhunde mehr ausgebildet. Interessierte beziehen ihre Hunde aus dem benachbarten Ausland, z.B. aus Oftersheim (D).
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Der Pionier
Walter Rupp, hauptberuflich Zollbeamter in Allschwil, lässt sich 1964 durch die Schweizer Kynologin Anna Auer auf privater Basis in der Ausbildung von Führhunden trainieren. Frau Auer wiederum hat ihr Handwerk 1951 im deutschen Oftersheim bei Walter Hantke gelernt. 1970 gründet Walter Rupp zusammen mit seiner Ehefrau Rosa in Allschwil eine private Führhundeschule, die erste «Schweizerische Schule für Blindenführhunde».
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Erste Lehrtochter
Im Winter 1969/1970 stösst Christine Rüedi dazu und wird von Walter Rupp für die Ausbildung von Blindenführhunden trainiert.
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Gründung Vereinigung der Freunde
1971 wird die Vereinigung der «Freunde der Schweizerischen Schule für Blindenführhunde» gegründet. Dank grosszügigen Spenden von Gönnerinnen – wie z.B. Jeanne Lovioz - kann das notwendige Kapital für die Stiftungsgründung und den Kauf des «Waldheims» aufgebracht werden.
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Gründung Stiftung
Ein Jahr später, am 29. September 1972, wird die Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde gegründet. Walter Rupp und Christine Rüedi erhalten nun eine reguläre Anstellung. Die Schule ist im «Waldheim», einem ehemaligen Erholungsheim, ausserhalb von Allschwil untergebracht.
Schon bald folgen als weitere Mitarbeiter die Ausbilder Michel Babelay (1. v.l.), Olivier Erb (2. v.r.) und 1978 Raymond Ammann (2. v.l.). Rösli Rupp ist für die Buchhaltung verantwortlich.
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Erste Zeitschrift
Im Januar 1977 erscheint die Zeitschrift «Der Blindenführhund» zum ersten Mal auf Deutsch und Französisch. Seit 1977 erscheint die Zeitschrift zweimal jährlich, ab Oktober 2001 zusätzlich auf Italienisch.
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Bau Zwingeranlage
Die Nachfrage nach Führhunden aus Allschwil steigt. 1977 starten die Arbeiten für einen neuen Zwinger mit rund 30 Hundeboxen. Die neue Anlage – zu der auch ein Schulungsgarten gehört – wird im September 1978 eingeweiht.
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Entwicklung Führgeschirr
Ende der 70-Jahre: Die Schule entwickelt in enger Zusammenarbeit mit dem Atelier de cuir im Jura ein neues Führgeschirr. Die neue Passform und Auspolsterungen verhindern Druckstellen beim Hund. Das Geschirr ist erstmals mit dem Logo der Schule versehen.
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IV-Finanzierung
Noch anfangs der 70er-Jahre beschränkt die IV die Kostengutschrift für Blindenführhunde auf Erwerbstätige, wogegen Hausfrauen mit Klagen vorgehen. Erst ab Ende des Jahrzehnts setzt sich die Praxis durch, Blindenführhunde auch an nicht erwerbstätige Menschen abzugeben, da sie dank dem Hund den Kontakt mit der Umwelt herstellen oder erhalten können.
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Standardwerke
1984 publiziert Walter Rupp das Büchlein «Hundeerziehung einmal anders!». Es zielt auf private Hundehalter, ist aber auch als Grundlagenbuch für Patenhundehaltende gedacht. 1987 erscheint zudem im Albert Müller Verlag «Der Blindenhund», auf Jahre hinaus das Standardwerk für angehende Ausbilder von Blindenführhunden.
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Kampf um Zutrittsrechte
Mitte der 80er-Jahre wurde um das Zutrittsrecht von Blindenführhunden an Orten mit allgemeinem Hundeverbot gekämpft, z.B. in Läden, Restaurants und Ämtern. Auch die Führhundehalter mit Allschwiler Blindenführhunden demonstrieren, auf dem Foto mit Transparenten in der Basler Freien Strasse.
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Sanierung Zwingeranlage
Baumängel machen eine Totalsanierung der Zwingeranlage nötig. Die Schule nutzt die Gelegenheit, um neu Gemeinschaftsboxen einzurichten, welche eine artgerechte Unterbringung der Hunde ermöglichen.
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Erste Reorganisation
Mit der Reorganisation im Jahre 1996 schafft die Schule drei Fachbereiche, geleitet durch je ein Mitglied der Geschäftsleitung: Ausbildung, Zucht sowie Administration und Öffentlichkeitsarbeit. Die Neuorganisation der Schule führt zu einem Professionalisierungsschub in vielen Bereichen.
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Dokumentarfilm Schweizer Fernsehen
Dokfilm: Am 9. Oktober 1997 wird Kurt Gloors Dokfilm «Piloten für die Dunkelheit» im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt, ein Porträt von fünf sehbehinderten Menschen und ihren Allschwiler Führhunden. SRF Media Relations schreibt: «Bis ein Hund einem Blinden anvertraut werden kann, sind mindestens sechs Monate intensives und geduldiges Training erforderlich. Wie werden aus tollpatschigen Labradorwelpen zuverlässige Führhunde? Wie werden die Hunde selektioniert und trainiert? Diesen Fragen ist das Filmteam in Besuchen bei der Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde in Allschwil nachgegangen. Die Schule gilt als eine der besten Führhundeschulen Europas für Zucht und Ausbildung von Labrador-Retriever-Hunden. Das Filmteam beobachtet Trainerinnen und Trainer bei ihrer alltäglichen Arbeit.»
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Tierverhaltensforschung hält Einzug
Ende der 90er-Jahre startet die Zusammenarbeit mit den Tierverhaltensforschern Heinz Weidt und Dina Berlowitz, was weitreichende Veränderungen zur Folge hat. Die Schule erarbeitet ein neues Betreuungskonzept für die Aufzucht der Welpen, diversifiziert das Programm für die Schulung der Patenfamilien und passt die Hundebetreuung sowie die Ausbildungsmethoden für die Blindenführhunde an.
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Mitgliedschaft IGDF
Am 1. Januar 1999 wurde die Allschwiler Blindenführhundeschule Mitglied der internationalen Föderation der Blindenführhundeschulen (International Guide Dog Federation - IGDF). Heute umfasst die IGDF über 95 Mitgliederorganisationen in 34 Ländern, die sich für einheitliche Qualitätsstandards im Bereich Zucht, Ausbildung, Einführung und Begleitung von Führhunden bei blinden oder sehbeeinträchtigen Menschen engagieren. IGDF-Mitglieder werden regelmässig im 5-Jahresrhythmus durch unabhängige Experten überprüft.
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Neubau
2000 - 2002: Dem Spatenstich für den Neubau geht eine mehrjährige Planungszeit voran. Denn das neue Gebäude soll nicht nur eine tiergerechte Hundehaltung erlauben, sondern auch ökologischen Aspekten Rechnung tragen.
Der Neubau fügt sich in die von Wald und Wiesen dominierte Umgebung. Die Anlage besteht aus zwei Trakten, zum einen Räume für die Ausbildung, Pflege und Zucht, zum anderen Büros, Seminarräume, Filmsaal, Cafeteria und Wohnung. Alle Bauten sind über einen zentralen Platz erschlossen.
Modernste Erkenntnisse der Tierverhaltensforschung flossen in die Konzeption der Boxen und der Zucht ein. Eine Holzschnitzelheizung und seit 2012 eine Photovoltaik-Anlage produzieren Wärme und Energie. Die Dachflächen dienen der Wassergewinnung. Obwohl die Schule mittlerweile über 50 Mitarbeitende zählt, hat sich die Anlage bis heute bewährt.
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Sozialhunde am Start
Die Sparte Sozialhunde startet mit einem Pilotprojekt und ersten Kursen in den Kantonen Basel, Bern und Wallis. Dem Initianten Jacques Ditesheim schwebt die Idee vor Augen, Hunde, die sich nicht als Führhund eignen, für soziale Einsätze in Institutionen wie Altersheime oder heilpädagogische Schulen auszubilden. Die Besuche der Sozialhunde-Teams sollen Freude und Abwechslung in den Alltag der Bewohner bringen.
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Assistenzhunde
Natalie Corman bildet im Rahmen des Vereins für Assistenzhunde FIDES bereits Hunde aus, die Menschen mit eingeschränkter Mobilität unterstützen. 2009 übernimmt die Schule das Patronat und stellt Natalie Corman einen ersten Hund für Ausbildungszwecke zur Verfügung. Aus dem Pilot entwickelt sich die neue Sparte Assistenzhunde, die 2012 offiziell startet und seit 2014 auch Mitglied der Vereinigung Assistance Dogs International ist.
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Autismusbegleithunde
2010 startet der nächste Pilot, diesmal im Bereich Autismusbegleithunde. Der Blindenführhunde-Instruktor Peter Kaufmann bringt die Idee in die Schweiz und entwickelt einen Lehrgang für Begleithunde von Kindern zwischen 4 und 10 Jahren mit der Diagnose Autismus.
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Höhere Fachausbildung
In den Nullerjahren startete die Professionalisierung des Ausbildungsbereichs. Ein Rahmenlehrplan, ein Berufsbild und eine Prüfungsordnung werden erarbeitet. Die Ausbildung zum Blindenführhundeinstruktor, einschliesslich der bisherigen Diplome, wird am 10.05.2010 durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) als höhere Fachausbildung mit eidgenössischem Diplom anerkannt.
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Deutsche Stiftung
Am 05.01.2012 gründet die Allschwiler Schule die Deutsche Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde, um im deutschen Markt Fuss zu fassen und Partnerschulen wie jene in Berlin besser unterstützen zu können.
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Teilfinanzierung Assistenzhunde durch IV
Die Invalidenversicherung bezahlt der Stiftung für die Abgabe von Assistenzhunden an Personen mit einer mittleren oder schweren Hilflosenentschädigung eine einmalige Abgeltung von CHF 15'500.- Ab dem 01.07.2020 erweitert die IV die Abgeltung auf Personen mit einer leichten Hilflosentschädigung.
Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung
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Mitgliedschaft ADI
Im Zuge der Schaffung der neuen Sparte Assistenzhunde beantragte die Blindenführhundeschule auch die Mitgliedschaft bei Assistance Dogs International, einer weltweiten Non-Profit-Koalition von Schulen und Programmen, welche Assistenzhunde ausbilden. Seit Januar 2014 ist die Allschwiler Blindenführhundeschule ein akkreditiertes Mitglied von Assistance Dogs Europe – Assistance Dogs International (ADEu/ADI) und wird ebenso im 5-Jahresrhythmus durch ADI-Experten überprüft. ADI hat aktuell 135 akkreditierte Mitglieder in 23 Ländern.
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Anpassung Stiftungszweck
2017 kann die Schule nach längeren Verhandlungen mit der eidgenössischen Stiftungsaufsicht endlich auch den Zweckartikel den neuen Gegebenheiten anpassen. Die vier Sparten – Blindenführhunde, Sozialhunde, Assistenzhunde und Autismusbegleithunde – gelten fortan als integrale Bestandteile der Schule.
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Auflösung deutsche Stiftung
Ab 2018: Mit der neuen Strategie zur Fokussierung auf die Schweiz und dem Ausbau der weiteren Ausbildungssparten wird die deutsche Stiftung aufgelöst und die Schule reduziert schrittweise ihr Engagement im deutschen Markt.
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«Brava» das neue Magazin
Im Oktober 2018 erscheint das Bulletin in neuem Kleid. Die Zeitschrift heisst nun «Brava» in Anlehnung an das Hörzeichen mit dem die Allschwiler Hunde gelobt werden.
Im gleichen Jahr wird auch der gesamte öffentliche Auftritt mit neu gestaltetem Logo und Werbemitteln erneuert.
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Zweite Reorganisation
Mit der zweiten Reorganisation der Schule wird eine Co-Geschäftsleitung geschaffen. Die Struktur wird durch ein kompetentes Kaderteam erweitert, welches selbst auch in den Teams mitarbeitet.
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50 Jahre in Zahlen
50 Jahre nach der Gründung hat die Schule 54 Mitarbeitende. Seit 1972 wurden über 2450 Welpen in Allschwil geboren und 1023 Blindenführhunde, 29 Assistenzhunde und 47 Autismusbegleithunde erfolgreich ausgebildet und abgegeben. Aktuell sind zudem 423 Sozialhundeteams im Einsatz.